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Ein Versuch über die Angst.

»A instalação do medo« von Rui Zink

 

»Wir haben nichts zu verlieren, außer unserer Angst«, heißt es in Rio Reisers Hymne von 1972 »Der Traum ist aus«. Gäbe es schon eine deutsche Ausgabe dieses jüngsten Romans von Rui Zink, sollte man ihr diese Liedzeile voranstellen. A instalação do medo ist ein Roman, sagt Rui Zink, mit allem, was einen Roman ausmache: Protagonisten, Handlung, Intrige und - was das Wichtigste sei: Krise. Rui Zinks Antwort auf das, was Europa erschüttert, ist ein absurd-realistisches Kabinettstück, in dem zwei Männer an eine Wohnungstür klopfen, verbindlich einen Guten Tag wünschen und erklären, sie seien gekommen, die Angst einzurichten, so sei es Vorschrift inzwischen, und man werde sehen, sie sei vom Feinsten …

An sich hat Rui Zink den aktuellen Roman zu Europa bereits 2008 abgeliefert, mit Destino Turístico, in dem ein suizidaler Katastrophentourist in einen gigantischen Kriegsspielplatz gerät, ein fingiertes Szenario, in dem schließlich doch eines echt ist: Das Elend. Vor vier Jahren wollte noch niemand genau sehen, wie zutreffend seine damals noch heitere Prognose war.

»A instalação do medo« kommt auch heiter daher - Rui Zink kann nicht anders, auch wenn er wütend ist -, doch die Groteske, die hier erzählt wird, ist Realität.

 „Und sagen Sie nicht, Sie seien gegen das Wohl unseres Landes.“

„Ich …“

„Oder gegen den Fortschritt.“

„…“

„oder gegen die Angst.“

Die Frau beißt sich auf die Lippe:

„Nein. Selbstverständlich nicht …“

 

Der Roman ist über weite Strecken ein dialogisches Selbstgespräch des Beamten, der ins Haus kommt, um die Angst einzurichten, mit der Frau, die ihm unvorsichtigerweise die Tür öffnete, vorher in weiser Voraussicht das Kind in Sicherheit brachte und nun mit der Angst konfrontiert wird, in all ihren Varianten und Spielarten: Das Entsetzen, die Furcht, Urängste, Hänsel und Gretel, die Angst im Dunklen, vor Gewalt, Vergewaltigung, Tod, und dann die gegenwärtige Angst vor dem allmächtigen Markt, einem modernen Gott, den zu besänftigen jedes Mittel recht ist. Schließlich wird sogar der Jäger zum Gejagten, ohne dass dies die ersehnte Katharsis bringt. »Ihr kommt zu spät, wie so oft. Die Angst ist längst da«, heißt es am Ende dieses beunruhigenden Romans.

Rui Zink spannt einen gewaltigen Bogen in seinem Versuch über die Angst, der zwar nicht formal, aber in der analytischen Schärfe und dem impliziten Zorn mit José Saramagos Meisterwerk »Stadt der Blinden« vergleichbar ist: Der Mensch als des Menschen Wolf. Nur, dass es hier nicht einer der fünf Sinne ist, dessen Abhandenkommen die Menschen zu Bestien macht, sondern die Angst, die konkret aber unangreifbar ist, diffus und gewalttätig, denn sie tritt, wie die Installateure der Angst in dem Buch, meist zu zweit auf den Plan: Wo die Angst ist, ist auch deren Zwilling nicht weit: Macht. Ein Versuch über die Angst ist auch ein Versuch über Macht, manchmal möchte man schreien.

„Wir machen doch nur Spaß, meine Dame“

Aber nicht sehr, denkt wahrscheinlich die Frau.

mk - 30.11.2012

 

Rui Zink:
A instalação do medo
180 Seiten,
Edições Teodolito 2012