26.05.2009
Crisis, what crisis? …
Den Weltuntergang hat Rui Zink bereits beschrieben, in dem auch ins Deutsche übersetzten Roman Apocalipse Nau (Dt.: Apokalüpse Nau, Übers. Martin Amannshauser, Deuticke 1999), ein fiktives Afghanistan war Thema seines (zumindest in deutscher Übersetzung) gleichnamigen Internet-Romans, und zuletzt ließ er einen Privatdetektiv auf der Suche nach dem leibhaftigen Christus kreuz und quer durch die Welt und die Abgründe der Existenz tauchen (Dádiva Divina, Dom Quixote 2004).
Sein jüngster Roman stellt erneut die Reise in den Mittelpunkt, hat das Touristische gar im Titel. Es geht um Urlaub in einer Krisenregion und einen Reisenden, der den Tod sucht.
Daher bewegt er sich mit scheinbarer Unbekümmertheit durch Minenfelder und Hinterhalte, provoziert eine gefährliche Situation nach der anderen, was Hotelpersonal und Fremdenführer schier um den Verstand bringt, und überlebt doch.
Denn - wir erinnern uns an Afghanistan / Os Surfistas -, nichts ist immer so wie es scheint: Die Krisenregion ist nichts weiter als ein Disneyland für Abenteuertouristen. Krieg, Minen, Entführungen und Schießereien sind nichts als Theater, Kulissen für einen Abenteuer der besonderen Art, der ultimative Kick für übersättigte Touristen, die das Besondere suchen. Nur unser Protagonist weiß das nicht und überlebt stets auf scheinbar wundersame Weise.
Und dann stellt sich heraus: Es gibt doch ein Krisengebiet: Das fiktive Weltuntergangszenario befindet sich mitten in einem tatsächlichen Elendsgebiet. Es ist die letzte Einnahmequelle eines am Rande Europas verarmten Landes, wo die Menschen nach ihrem Job für die Katastrophentouristen in Hütten ohne Strom leben und wieder auf Eseln reiten. Ein fiktives Krisengebiet im wirklichen, als Abenteuerspielplatz für reiche Asiaten aus den neuen Boom-Regionen der Welt. Eine bitterböse Satire auf Portugal natürlich, aber auch auf bestehende Verhältnisse in Europa und die gegenwärtige tatsächliche Krise.
Und mehr als das. Denn der Protagonist, der in diesem rasanten Roman so verbissen dem eigenen Tod hinterherrennt, sucht auch nach Antworten. Seine Verzweiflung und seine Naivität sind mehr als nur Aufhänger für eine Weltuntergangszenario. Seine Sehnsucht nach dem Tod ist kein Spiel (was ihn von den Terrortouristen unterscheidet). Und »destino« heißt wohlgemerkt nicht nur »Reiseziel« sondern auch »Schicksal«.
Michael Kegler
Rui Zink:
O Destino Turístico.
224 páginas
Ed. Teorema, Lisboa 2008
www.ruizink.com
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