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only the good die young ?

Yoñlu: yonluDurch eine Sendung auf dem von mir sehr geschätzten Internet-Sender Byte.FM wurde ich auf eine wie üblich unglaubliche Internet-Legende aufmerksam: Ein junger Mann in Rio Grande do Sul, gerade mal 16 Jahre alt, genial natürlich, ebenso hoch begabt wie depressiv, nimmt sich vor laufender Webcam das Leben - wenige Tage vor seinem 17. Geburtstag. Auf seinem Computer findet die Polizei (oder der Vater des Jungen) Musikschnipsel. Darunter ein Stück namens "I know what it's like" mit veritablem Hit-Potenzial. Der Rest ist Internet-Geschichte (oder Mythos) und kann durch eine einfache Abfrage der gängigen Suchmaschinen nachgelesen werden. Das Stück selbst steht tausendfach zum kostenlosen und auch kostenpflichtigen Download bereit. Offizielle wie inoffizielle Fan-Clubs, Suizid-Foren und frühere wie neue Freunde bemühen sich um das Andenken des jungen Genies.

So weit so legendär, wäre da nicht die Plattenfirma Luaka-Bop, die fleißig am Mythos mitbastelt, da sie  Yoñlus Nachlass auf CD vermarktet, was an sich keine schlechte Idee wäre – den Internet-Hype um einen Toten ins richtige Leben überführen, oder so ähnlich. Wenn nicht …

Gestern traf die CD bei mir ein und naja – de mortui nihil nisi bene – "I know what it's like" hört sich darauf genau so an, wie im Internet und erinnert natürlich an John Lennon, Caetano Veloso und andere frühreife Genies, die im Gegensatz zu Yoñlu mehr Zeit hatten, berühmt zu werden – dafür aber  noch kein Internet.

Der Rest erinnert – mit Verlaub – an Araçá Azul von 1972, das meist zurückgegebene Album von Caetano Veloso, das zum einen eine brasilianische Version des White Albums der Beatles sein sollte, zum anderen aber vor allem aber gezielte Provokation eines erwartungsvollen, konsumistischen Publikums und vieles mehr. Und genau das ist der Unterschied. Yoñlus Platte ist so nie geplant worden und im Grunde nichts anderes als eine ausgelesene Festplatte.

Fairerweise kann das gesamte "Album" auf www.yonlu.com angehört werden. Dort stehen auch die Texte, die auch der für Geld verkauften CD gut angestanden hätten. Ebenso hätte ein editing der ganzen Sache sehr gut getan, denn Soundschnipsel, Spielchem mit dem Musikeditor, Kichern, Knarzen und Songfragmente aus dem heimischen Spiel- oder Badezimmer (ja, dort soll er sich auch umgebracht haben) sind zwar für den Privatgebrauch und als Erinnerung für Freunde und Verwandte von Wert, tragen in ihrer Gesamtheit aber noch kein ganzes Album, zumal der Sound der meisten Stücke gerade einmal für die Schreibtischlautsprecher auf dem Computertisch taugt, auf einer Stereoanlage aber schlicht unhörbar ist.

Was schade ist, denn Songs wie "Humiliation" oder der Samba: "Olhe por nós" (Olhe por nós / Disse que ia mudar e mudou / Não fez nada e só piorou / De santo tu se fez / Agora em ti a gente não vota outra vez.) sind schon gut, wären sie nur ein wenig besser aufgenommen oder wenigstens posthum editiert worden. Man hätte dem Andenken des Künstlers damit sicher einen besseren Gefallen getan.

mk (04.05.09)


www.yonlu.com
www.myspace.com/yonlu